Öffentliches Wirtschaftsrecht

Klimaschutz – Öffentliche Auftraggeber künftig zum Kauf sauberer Fahrzeuge verpflichtet

Verfasst von

Dr. Georg Queisner

Dr. Matthias von Kaler

Öffentliche Auftraggeber müssen künftig, wenn sie Fahrzeuge beschaffen, eine bestimmte Quote sauberer Fahrzeuge einhalten – das ist der Kern eines Gesetzes, das der Deutsche Bundestag am 5. Mai 2021 verabschiedet hat. Infolgedessen werden viele Unternehmen ihre Beschaffungspraxis grundlegend ändern müssen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1161 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge sowie zur Änderung vergaberechtlicher Vorschriften, dessen Artikel 1 das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) ist.

Was regelt das Gesetz und für wen gilt es?

Das SaubFahrzeugBeschG regelt gemäß § 1 Mindestziele und deren Sicherstellung bei der Beschaffung bestimmter Straßenfahrzeuge und Dienstleistungen, für die diese Straßenfahrzeuge eingesetzt werden, durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber („Auftraggeber“).

Was sind saubere Fahrzeuge im Sinne des Gesetzes?

Das Gesetz unterscheidet zwischen sauberen leichten Nutzfahrzeugen, sauberen schweren Nutzfahrzeugen und emissionsfreien schweren Nutzfahrzeugen. Diese Begriffe werden in § 2 definiert. Zu diesen Nutzfahrzeugen gehören insbesondere Busse.

Für welche Beschaffungen gilt das Gesetz?

§ 3 zählt drei Beschaffungswege auf, bei denen das Gesetz gilt. Erstens erfasst das Gesetz Verträge über den Kauf, das Leasing oder die Anmietung von Straßenfahrzeugen, wenn die Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach Vergabeverordnung oder Sektorenverordnung durchführen müssen. Zweitens erfasst das Gesetz öffentliche Dienstleistungsaufträge (ÖDA) im Sinne der VO 1370/2007. Drittens erfasst das Gesetz Dienstleistungsaufträge über bestimmte, im Gesetz genannte Verkehrsdienste (z.B. Post- oder Paketbeförderung und -zustellung), wenn die Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach Vergabeverordnung oder Sektorenverordnung durchführen müssen.

Sind alle öffentlichen Dienstleistungsaufträge erfasst?

Nein. Das Gesetz gilt nicht bei Bagatell- oder Kleinaufträgen gem. Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007. Danach sind also ausgenommen (1.) Aufträge,  deren geschätzter Jahresdurchschnittswert 1 Million Euro oder deren jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung 300.000 Kilometer nicht übersteigt, und  (2.) Aufträge, deren geschätzter Jahresdurchschnittswert 2 Millionen Euro oder deren jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung 600.000 Kilometer nicht übersteigt, sofern die öDA an Auftragnehmer vergeben werden, die nicht mehr als 23 Straßenfahrzeuge betreiben.

Gibt es weitere Ausnahmen vom Anwendungsbereich?

Ja. Nach § 4 ist das Gesetz auf diverse Fahrzeuge nicht anzuwenden. Dies gilt beispielsweise für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge sowie für Fahrzeuge, die für den Einsatz durch den Zivil- und Katastrophenschutz, durch das Rettungswesen, durch die Feuerwehr oder durch die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden entwickelt und gebaut oder dafür angepasst wurden.

Ausgenommen sind auch für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Fahrzeuge der Klasse M3 mit mehr als acht Sitzplätzen zusätzlich zum Fahrersitz ohne vorgesehene Stehplätze und mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 5 Tonnen. Hier sind allerdings die Rückausnahmen in § 4 Abs. 2 zu beachten. Danach ist das Gesetz abweichend von Abs. 1 Nr. 5 anzuwenden auf Fahrzeuge (1.) der Klasse M3 mit klassischer Aufbauart der Klasse I mit einer zulässigen Personenzahl von mehr als 22 Personen ohne den Fahrer, die so konstruiert sind, dass Bereiche für Stehplätze vorgesehen werden, um ein häufiges Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu ermöglichen, und (2.) der Klasse M3 der Klasse A mit einer zulässigen Personenzahl von nicht mehr als 22 Personen ohne den Fahrer, die so konstruiert sind, dass stehende Fahrgäste befördert werden können, und die über Sitz- und Stehplätze verfügen. Vereinfacht kann gesagt werden, dass das Gesetz also insbesondere auf den Fahrzeugtyp „Stadtbus“ anzuwenden ist, unabhängig ob dieser im Stadt- oder Regionalverkehr eingesetzt wird.

Ab wann ist das Gesetz bei Beschaffungen zu beachten?

Gem. § 10 gilt das Gesetz bei Beschaffungen, deren Auftragsbekanntmachung nach dem 2. August 2021 veröffentlicht wird oder bei denen nach dem 2. August 2021 zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wird. Das gilt auch, wenn diese Aufträge erst nach dem 2. August 2021 den Zuschlag erhalten bzw. erfüllt werden. Es kommt also lediglich darauf an, dass die Vergabeverfahren begonnen wurden; sie müssen nicht vor dem 2. August 2021 abgeschlossen sein.

Was gilt bei der Beschaffung im Rahmen von Einzelabrufen aus bestehenden Rahmenvereinbarungen?

Wenn der Auftraggeber vor dem 2. August 2021 Rahmenvereinbarungen abgeschlossen hat und erst nach dem 2. August 2021 Straßenfahrzeuge per Einzelabruf beschafft, gilt das Gesetz nicht für diese Beschaffung.

Was ist die entscheidende Verpflichtung, die sich aus dem Gesetz für Auftraggeber ergibt?

Die entscheidende Verpflichtung für Auftraggeber ergibt sich aus § 5 Abs. 1 des Gesetzes. Danach müssen die Auftraggeber bei der Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen die für den jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6 festgelegten Mindestziele insgesamt einhalten (§ 5 Abs. 1 Satz 1). Die Mindestziele bestimmen sich als Mindestprozentsatz an der Gesamtzahl der gemäß § 3 in dem jeweiligen Referenzzeitraum beschafften Nutzfahrzeuge (§ 5 Abs. 1 Satz 2). Die Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, bedarf also keiner Anordnung durch eine Behörde.

Welche Mindestziele gelten im Einzelnen und wie werden diese berechnet?

Dies ergibt sich aus § 6. Danach gilt Folgendes:

Saubere leichte Nutzfahrzeuge: Für den Referenzzeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 sowie vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2030 gelten bei der Beschaffung dieser Fahrzeuge die in der Anlage 1 jeweils genannten Emissionsgrenzwerte (§ 6 Abs. 1 Satz 1):

Für den Anteil dieser Fahrzeuge an der Gesamtzahl der beschafften leichten Nutzfahrzeuge gilt in beiden Referenzzeiträumen jeweils ein Mindestziel von 38,5 Prozent (§ 6 Abs. 1 Satz 2).

Saubere schwere Nutzfahrzeuge: Für die Beschaffung diese Fahrzeuge gelten nach § 6 Abs. 2 für ihren Anteil an der Gesamtzahl der beschafften schweren Nutzfahrzeuge Mindestziele, die nach Zeiträumen differenzieren:

  • Im Zeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 gelten folgende Mindestziele: für LKW der Fahrzeugklassen N2 und N3 10 Prozent und für Busse der Fahrzeugklasse M3 45 Prozent.
  • Im Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2030 gelten für diese Fahrzeuge höhere Mindestziele (nämlich 15 und 65 Prozent).

Wer überwacht die Einhaltung der Mindestziele?

Die Überwachung ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Sache der Länder. In diesem Zusammenhang sieht das Gesetz eine Regelung für den Fall vor, dass einzelne Auftraggeber Mindestziele übererfüllen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 kann das Land bei einer solchen Konstellation für seinen Zuständigkeitsbereich zulassen, dass Auftraggeber Mindestziele nicht einhalten müssen.

Zudem hat auf Anregung des Bundesrats eine Regelung Eingang in das Gesetz gefunden, wonach die Länder zur Einhaltung der Mindestziele auch Vereinbarungen mit den jeweiligen Branchenverbänden abschließen können (§ 5 Abs. 2 Satz 3). Dabei müssen die Mindestziele nach § 6 innerhalb des jeweiligen Landes insgesamt eingehalten werden (§ 5 Abs. 2 Satz 4). Zudem sieht das Gesetz eine Kooperation von Ländern vor: Für die Einhaltung der Mindestziele können die Länder für ihren Zuständigkeitsbereich bei einer vorliegenden Untererfüllung oder Übererfüllung der Mindestziele zum Ausgleich ein gemeinsames Mindestziel bilden (§ 5 Abs. 3 Satz 1). Dabei können die Länder zur Einhaltung eines gemeinsamen Mindestziels auch Vereinbarungen mit den jeweiligen Branchenverbänden abschließen (§ 5 Abs. 3 Satz 2). Ein von den Ländern gemeinsam gebildetes Mindestziel muss das Erreichen der Mindestziele für alle in die Berechnung einbezogenen Länder sicherstellen (§ 5 Abs. 3 Satz 3). Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens zur Bildung eines gemeinsamen Mindestziels kann im Wege einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den betroffenen Ländern geregelt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 4).

Was geschieht, wenn ein Auftraggeber die Mindestziele nicht einhält?

Das Gesetz sieht für diesen Fall keine Sanktion gegen den Auftraggeber vor. Geregelt ist lediglich, dass die Länder die Einhaltung der Mindestziele überwachen, ohne dass die Befugnisse im Einzelnen festgelegt werden. Es ist den Ländern daher beispielsweise nicht möglich, Verträge, die unter Missachtung der Mindestziele abgeschlossen wurden, aufzulösen oder Bußgelder gegen Auftraggeber zu verhängen.

Wie ist der Fall zu beurteilen, dass ein Auftraggeber die Mindestziele nicht einhalten kann?

Hier ist zu unterscheiden. Ist die Einhaltung der Mindestziele für den Auftraggeber lediglich schwierig, entbindet ihn dies nicht von der Verpflichtung. Anders würde es sich nur bei einer echten Unmöglichkeit verhalten. Wäre es dem Auftraggeber tatsächlich unmöglich, die gesetzliche Verpflichtung einzuhalten, wäre er nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur (Unmögliches zu leisten, ist niemand verpflichtet) von seiner Verpflichtung frei. Dies dürfte aber in der Praxis höchst selten der Fall sein.

Wer stellt sicher, dass die Mindestziele eingehalten werden?

Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1. Der Bund und die Länder stellen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich sicher, dass die öffentlichen Auftraggeber und die Sektorenauftraggeber insgesamt die Mindestziele für die Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen einhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 1). Die Länder erstellen dabei jährlich einen Bericht an den Bund über die Erfüllung ihrer Aufgaben (§ 7 Abs. 2 Satz 2).

Sieht das Gesetz weitere Verpflichtungen für die Auftraggeber vor?

Das Gesetz sieht in § 8 umfangreiche Dokumentationspflichten vor. Unter anderem haben die Auftraggeber in den Vergabebekanntmachungen – nachträglich – die Anzahl aller Fahrzeuge, die auf Grund der Auftragsvergabe beschafft wurden, unterteilt nach sauberen leichten Nutzfahrzeuge, sauberen schweren Nutzfahrzeuge und emissionsfreien schweren Nutzfahrzeuge, jeweils unterteilt nach Fahrzeugklassen, anzugeben.

An welche Verantwortlichen von PwC können sich Unternehmen wenden, die von dem Gesetz betroffen sind?

Als Ansprechpartner für rechtliche Aspekte stehen Ihnen Dr. Georg Queisner (georg.queisner@pwc.com) und Dr. Matthias von Kaler (matthias.kaler@pwc.com) zur Verfügung. Bei Fragen zu ökonomischen und technischen Aspekten können Sie sich an Dr. Frank Snaga (frank.snaga@pwc.com) und Maximilian Rohs (maximilian.rohs@pwc.com) wenden.

Einen Marktüberblick zu E-Bussen liefert unser E-Bus-Radar, abrufbar unter www.pwc.de/e-bus-radar.