Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Haftung des Arbeitgebers bei der aktuellen Grippeschutzimpfung und einer künftigen Impfung gegen SARS-CoV-2 bzw. Corona-Erkrankung

Verfasst von

Nadja Simone Roß-Kirsch

Der Anlass

Aktuell finden sich Empfehlungen für Grippeschutzimpfungen und die Zulassung eines Impfstoffes gegen eine Erkrankung am Corona-Virus rückt offenbar näher. Gleichzeitig bergen Impfungen auch Risiken. Das BAG hatte 2017 entschieden: Ein Arbeitgeber, der eine Grippeschutzimpfung in seinen Räumlichkeiten durch die Betriebsärztin anbietet und die Kosten übernimmt, haftet grundsätzlich nicht für auftretende Impfschäden – BAG vom 21. Dezember 2017 (8 AZR 853/16). Gilt dies nach wie vor und wären die dort entwickelten Grundsätze auf eine Impfung gegen das SARS-COV-2 Virus übertragbar?

Die wesentlichen Aspekte

Die Betriebsärztin eines Unternehmens hatte 2017 alle interessierten Mitarbeiter des Unternehmens zur Teilnahme an einer Grippeschutzimpfung aufgerufen, deren Kosten das Unternehmen übernahm. Nach Bekunden einer vor dem BAG klagenden Arbeitnehmerin, war ihr durch die Maßnahme ein Impfschaden entstanden. Für diesen hafte das Unternehmen, da sie vor der Impfung nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Mit ihrer Klage forderte sie vom beklagten Unternehmen die Zahlung eines Schmerzensgeldes und Schadensersatz.

Das BAG kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass das verklagte Unternehmen nicht für den von ihr behaupteten Impfschaden haftet. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass zwischen der Klägerin und dem Unternehmen kein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, aus dem das Unternehmen zur Aufklärung verpflichtet gewesen wäre. Das Unternehmen war auch nicht aufgrund des zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, über etwaige Risiken der Impfung aufzuklären und musste sich deshalb auch nicht einen möglichen Verstoß der Ärztin gegen die Aufklärungspflicht zurechnen lassen. Eine Haftung des Unternehmens durch Unterlassen oder Mittäterschaft war hier nach den Ausführungen des Gerichts auch nicht gegeben, da die Durchführung einer betrieblichen Impfung nicht rechtswidrig ist, sondern als Ganzes gesehen einen sinnvollen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Belegschaft und der Bevölkerung bietet. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Schadensersatz kam hier zwar grundsätzlich in Betracht, da ein Impfschaden i. d. R. kein Arbeitsunfall ist. Jedoch greift das Haftungsprivileg des Arbeitgebers nicht, wonach der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten die gesetzliche Unfallversicherung in Anspruch nehmen muss und ein direkter Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. u. a. SG Dortmund, Urt. v. 5.8.2014 – S 36 U 818/12 unter Bezugnahme auf ein Urteil des BSG vom 31.01.1974, 2 R U 277/73) unterliegt eine allgemeine Grippeschutzimpfung grundsätzlich nicht dem Recht der allgemeinen Unfallversicherung, da sie der Erhaltung der Gesundheit dient und damit dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn Impfung und Beschäftigungsverhältnis in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.

Die Praxishinweise

Ob die im Kontext der Impfungen gegen Grippe vorliegenden Grundsätze auch auf eine zukünftig zuzulassende Impfung gegen das SARS-COV-2 Virus übertragbar sind, erscheint jedoch zweifelhaft. Anders als bei den Grippeschutzimpfungen würden zunächst Praxiserfahrungen zu Impfungen über längere Zeiträume fehlen. Insbesondere ließe sich in der Folge eine deliktische Haftung des Arbeitgebers bei Impfschäden nicht ausschließen, da zumindest aktuell nicht klar ist, ob die Durchführung einer solchen betrieblichen Impfung als Ganzes gesehen einen sinnvollen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Belegschaft und der Bevölkerung bieten würde wie es in den bisherigen Argumenten der Landesarbeitsgerichte zur Grippeschutzimpfung angeführt wurde. Es ist ratsam, hier die weiteren Empfehlungen der zuständigen Behörden und medizinischen Experten abzuwarten.

Arbeitgeber: Hygienekonzept beachten und weiterhin Vorsicht bei der Kommunikation im Vorfeld einer Grippeschutzimpfung  

Bei der Durchführung der Grippeschutzimpfung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers während der andauernden Pandemie ist auf die Einhaltung eines Hygienekonzepts zu achten, das sich am aktuellen SARS-COV-2 Arbeitsschutzstandard des Bundesarbeitsministeriums unter Beteiligung der Betriebsärzte und Betriebsräte ausrichten sollte. Dies bedarf guter Organisation der Impfung im Vorfeld, so dass z.B keine Wartezeiten entstehen, in denen es zu einer Ansammlung von Menschen auf dichtem Raum kommt. Darüber hinaus ist auf die Einhaltung weiterer Schutzmaßnahmen wie z.B dem Tragen von Schutzmasken etc. zu achten, soweit dies in der Organisationshoheit des Arbeitgebers und nicht der des behandelnden Betriebsarztes liegt.

Weiterhin dürfte jedoch gelten: Betriebsärzte können grundsätzlich Grippeschutzimpfungen in den betrieblichen Räumlichkeiten anbieten, insbesondere wenn dies wie aktuell auch seitens der Ärzteverbände empfohlen wird. Arbeitgeber können auch die Kosten dafür übernehmen, ohne dass sie Schadensersatzrisiken für Impfschäden in Bezug auf Grippeschutzimpfungen in Kauf nehmen müssen.
Soweit nach dem Urteil bei Grippeschutzimpfungen keine Haftung des Arbeitgebers besteht, ist dennoch zu empfehlen, dass der Arbeitgeber selbst weder zu solchen Impfungen einlädt noch Empfehlungen dazu ausspricht, sondern dies vollumfänglich dem Betriebsarzt überlässt.
Darüber hinaus kann die Entscheidung nicht auf berufsbezogene Impfungen übertragen werden. Insoweit greifen dann zumeist der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und ein Haftungsprivileg des Arbeitgebers.

Die Autorin

Nadja Simone Roß-Kirsch, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht

Die Autorin und die Ihnen ggf. schon bekannten Ansprechpartner unserer 40 Mitglieder starken Praxisgruppe Arbeitsrecht stehen Ihnen bei weitergehenden Fragen zur Bedeutung der Entscheidung für Ihre betriebliche Situation oder Planungen jederzeit gerne zur Verfügung.