Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Obergrenzen für November- / Dezemberhilfen – Der beihilferechtliche Unternehmensbegriff im Fall von öffentlichen Unternehmen

Verfasst von

Darja Bleyl

Die Schließungsanordnungen für die Monate November und Dezember 2020 führen für eine Vielzahl von Unternehmen zu erheblichen Umsatzeinbußen. Über die November- und Dezemberhilfe sollen diese Umsatzeinbußen möglichst schnell und unbürokratisch kompensiert werden. Im Gegensatz zur Überbrückungshilfe I und II sind auch öffentliche Unternehmen antragsberechtigt.

Soll das Bewilligungsverfahren noch möglichst unbürokratisch erfolgen, sind im Antragsverfahren einige Prüfungshandlungen seitens der Antragsteller durchzu-führen, die zum Teil mit erheblichem Aufwand verbunden sein können. Dies betrifft unter anderem die Prüfung der Einhaltung der beihilferechtlichen Obergrenzen. Die entsprechenden Prüfungsergebnisse müssen im Antrag angegeben werden.

Beihilfeobergrenzen der November-/Dezemberhilfe

Sowohl die November- als auch die Dezemberhilfe werden auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 sowie auf der De-minimis-Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 gewährt. Der zulässige Höchstbetrag der Bundesregelung Klein-beihilfen 2020 beträgt derzeit noch 800.000 EUR (zu einer geplanten Anhebung dieses Betrages, vgl. https://ec.europa.eu/germany/news/20210120-corona-beihilfen_de), der Höchstbetrag der De-minimis-Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 beläuft sich auf 200.000 EUR in drei Steuerjahren. Beide Beträge gelten für ein Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne.

Beihilferechtlich relevantes Unternehmen für die Berechnung der Obergrenzen

Im Beihilfenrecht gilt ein rein „funktionaler“ Unternehmensbegriff: Ein Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne wird demnach als „jede eine wirtschaft-liche Tätigkeit ausübende Einheit“ definiert. Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt grundsätzlich vor, wenn Waren oder Dienstleistungen an einem Market angeboten werden. Auf die Rechtsform der jeweiligen Einheit kommt es dabei nicht an. Auch Einheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit sowie öffentliche Körperschaften und Einrichtungen und ihre Regiebetriebe können im beihilferechtlichen Sinne ein Unternehmen darstellen, wenn sie wirtschaftlich tätig sind. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann auch das Halten von Kontrollbeteiligungen an Unternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Voraussetzung ist, dass die Muttergesellschaft über eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft tatsächlich eine Kontrolle ausübt. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass die Mutter-gesellschaft an der wirtschaftlichen Tätigkeit der kontrollierten Gesellschaft beteiligt ist.

Hinsichtlich der Beihilfeobergrenzen ist zu prüfen, ob das antragstellende Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne mit einem anderen Unternehmen verbunden bzw. Teil eines aus mehreren Unternehmen bestehenden Unternehmensverbundes ist. Denn dann handelt es sich bei diesem Unternehmensverbund um ein einziges Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne und es gelten die beihilferechtlichen Obergrenzen von 800.000 EUR bzw. 200.000 EUR für den gesamten Unternehmensverbund. In der Folge ist der gesamte Unternehmensverbund dahingehend zu überprüfen, ob – und ggfs. in welcher Höhe – bereits Kleinbeihilfen und/oder de-minimis-Beihilfen gewährt oder beantragt worden sind. Verbundene Unternehmen werden sowohl in der De-minimis-Verordnung als auch in der Begriffsbestimmung zu Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) im Anhang zur Allgemeinen Gruppen-Freistellungsverordnung (EU) Nr. 651/2014 (AGVO) definiert. Für die Novemberhilfe findet sich eine Definition der verbundene Unternehmen – nahezu vollständig den vorgenannten Regelungen entsprechend – in Buchstabe C. Ziffer I. 2. Abs. 5 der Vollzugshinweise zur Novemberhilfe. Danach sind Unternehmen insbesondere dann miteinander verbunden, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens hält. Zu beachten ist, dass Unternehmen, die durch ein oder mehrere andere Unternehmen untereinander in dieser Beziehung zueinanderstehen, ebenfalls als verbunden gelten.

Berechnung der Beihilfeobergrenzen für öffentliche Unternehmen / kommunale Konzerne

Die Bestimmung des beihilferechtlich relevanten Unternehmens zur Berechnung der möglichen Höhe der November-/Dezemberhilfe stellt insbesondere öffentliche Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Zwar werden öffentliche Unternehmen insoweit privilegiert, als dass für diese auf Ebene der Antragsberechtigung das Konsolidierungsgebot für verbundene Unternehmen nicht gilt. Auch wenn ein einzelnes öffentliches Unternehmen einem Unternehmensverbund angehört, kann dieses demnach einen eigenen Antrag stellen. Bei einem rein privatwirtschaftlichen Konzern dagegen kann nur die Konzernmutter einen Antrag stellen, aber nicht die einzelnen Konzerngesellschaften.

Diese Befreiung der öffentlichen Unternehmen vom Konsolidierungsgebot gilt jedoch nicht bei der Überprüfung, ob die vorgenannten beihilferechtlichen Obergrenzen vom Antragsteller eingehalten werden. Dass der beihilferechtliche Unternehmensbegriff auch für öffentliche Unternehmen gilt, wird explizit unter Ziffer 5.4 der FAQ zu den November- und Dezemberhilfen erklärt. Die nachfolgenden Erläuterungen in dieser Ziffer verschaffen den Antragstellern jedoch keine Klarheit darüber, wie ein Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne im Fall von öffentlichen Unternehmen bzw- Unternehmensverbünden zu definieren ist. So heißt es dort: „Demnach ist auch bei öffentlichen Unternehmen zu prüfen, inwiefern ein wirtschaftlicher Verbund mit anderen Unternehmen vorliegt, wobei insbesondere das Bestehen von Kontrollbeteiligungen relevant ist. Bei einem kommunalen Unternehmen dürfte der maßgebliche Verbund zum Beispiel in der Regel auf Ebene der Kommune enden, da diese eine eigene öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft mit Selbstverwaltungsrecht ist.

Bedeutet dies, dass lediglich die Unternehmen oder Unternehmensverbünde unterhalb der Kommune einzeln als Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne betrachtet werden, weil die Kommune nicht in den Unternehmensverbund einbezogen wird? Oder gelten alle Unternehmen, an denen eine Kommune Mehrheitsbeteiligungen hält, als durch die Kommune miteinander verbundene Unternehmen?

Legt man die bisherige Rechtsprechung des EuGH sowie die Entscheidungspraxis und die Mitteilungen der EU-Kommission zum beihilferechtlichen Unternehmensbegriff zugrunde, dürfte letzteres auf viele Kommunen und ihre Unternehmen zutreffen: Im Fall von kommunalen Konzernen hält die Kommune selbst eine Vielzahl von Mehrheitsbeteiligungen an öffentlichen Unternehmen, welche wiederum mehrheitlich an weiteren Unternehmen beteiligt sind. Liegt eine solche Konstellation vor und nimmt die Kommune auch Einfluss auf „ihre“ Unternehmen – wovon in der Praxis regelmäßig auszugehen sein dürfte – wäre die Kommune selbst wirtschaftlich tätig und der kommunale Konzern wäre als ein einziges Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne anzusehen. Dem steht nach den bisherigen Grundsätzen im EU-Beihilferecht auch nicht entgegen, dass die Kommune eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft mit Selbstverwaltungsrecht ist.

Folgt man der vorgenannten Ansicht, dürfte diese bei größeren Kommunen in vielen Fällen dazu führen, dass die derzeitigen Beträge der November- und Dezemberhilfe nicht ausreichend sind, um die Umsatzeinbußen aller antragsberechtigten Unternehmen im kommunalen Konzern auszugleichen.

Aufgrund des Wortlautes der Ziffer 5.4 der FAQ zur November-/ Dezemberhilfe, die immerhin vom Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium veröffentlicht worden sind, könnte im Rahmen der Antragsstellung auch vertreten werden, nicht auf den gesamten kommunalen Konzern sondern nur auf die jeweils unter einer – von der Kommune gehaltenen – Holdinggesellschaft zusammengefassten Unternehmen als Unternehmensverbund abzustellen.

Allerdings sollte diese Auffassung nicht als allgemeingültige Aussage verstanden und im Einzelfall überprüft werden, da sie zu den allgemein geltenden EU-Beihilferegelungen und der Rechtsprechung des EuGH zumindest in einem Spannungsverhältnis steht. Sollte später festgestellt werden, dass die oben genannten beihilfenrechtlichen Grundsätze im Rahmen der November- und Dezemberhilfe entsprechend Anwendung auf öffentliche Unternehmen finden, müssten zu viel gewährte Beihilfen vom Zuwendungsgeber zurückgefordert werden.