Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Konkretisierung des Maßnahmenpakets für vom Ukrainekrieg betroffene Unternehmen im Lichte des Beihilferechts

Verfasst von

Darja Bleyl

Ricarda Völker

Bereits am 8. April 2022 haben Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ein Maßnahmenpaket für die Unterstützung von vom Krieg in der Ukraine besonders betroffene Unternehmen vorgestellt. Die geplanten Maßnahmen wurden am 3. Mai 2022 weiter konkretisiert. Teilweise können bereits Anträge gestellt werden.

Kurzvorstellung des Maßnahmepaketes

Zur Unterstützung der von den vielfältigen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine betroffenen deutschen Unternehmen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

1. Zuschussprogramm  zur temporären Kostendämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs

Im Rahmen des Zuschussprogramms soll Unternehmen, die von den gestiegenen Energiekosten bei Gas und Strom besonders betroffen sind, ein Zuschuss zum Ausgleich der Preisdifferenz der gezahlten Strom- und Gaskosten im Jahr 2022 im Vergleich zu den im Jahr 2021 angefallenen Kosten gewährt werden. Die Preisdifferenz oberhalb einer Verdopplung des Erdgas- und Strompreises wird in Abhängigkeit von der Klassifizierung des jeweiligen Unternehmens mit bis zu 70 % und bis 50 Mio. EUR bezuschusst. Eine Antragstellung ist bisher noch nicht möglich.

2. KfW-Kreditprogramm – Antragsstellung bereits möglich

Auf Grundlage des KfW-Sonderprogramms UBR (Ukraine, Belarus, Russland) 2022 werden zinsgünstige und haftungsfreigestellte Kredite mit einer Laufzeit und Zinsbindung von bis zu sechs Jahren für Unternehmen aller Branchen und aller Größen gewährt. Seit dem 9. Mai 2022 können entsprechende Anträge gestellt werden.

Das Programm besteht aus zwei Programmkomponenten. Ein Programmteil ermöglicht Kredite im standardisierten Durchleitgeschäft über Hausbanken bis zu einem Kreditvolumen von 100 Mio. EUR. Die weitere Programmkomponente umfasst individuelle, großvolumige Konsortialfinanzierungen.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines entsprechenden Kredits ist unter anderem eine nachgewiesene Betroffenheit, zum Beispiel durch einen Umsatzrückgang durch einen weggebrochenen Absatzmarkt oder nachgewiesene Produktionsausfälle in den Ländern Ukraine, Belarus und Russland.

3. Erweiterung der Bund-Länder-Bürgschaftsprogramme – Antragsstellung bereits möglich

Bereits seit dem 29. April 2022 können aufgrund von Erweiterungen der Bund-Länder-Bürgschaftsprogramme vom Ukrainekrieg nachweislich betroffene Unternehmen Anträge bei den Bürgschaftsbanken und im Großbürgschaftsprogramm stellen.

Im Rahmen des Großbürgschaftsprogramms können betroffene Unternehmen mit einem Bürgschaftsbedarf ab 20 Mio. EUR in strukturschwachen Regionen bzw. einem Bürgschaftsbedarf von 50 Mio. EUR außerhalb strukturschwacher Regionen Bürgschaften für Betriebsmittel- und Investitionskredite beantragen. Die Bürgschaftsquote beträgt in der Regel 80 %, kann im Einzelfall aber auch bis zu 90 % betragen. Auch für die Inanspruchnahme entsprechender Bürgschaften ist eine Betroffenheit nachzuweisen.

4. Eigen- und Hybridkapitalhilfen

Über Eigen- und Hybridkapital, zum Beispiel in Form von (stillen) Beteiligungen oder Nachrangdarlehen, soll es systemrelevanten Unternehmen ermöglicht werden, ihre Kapitalbasis zu stärken und Liquiditätsengpässe zu überwinden.

5. Liquidität für Energieunternehmen

Zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen sollen Kredite an solche Unternehmen vergeben werden, die von hohen Sicherheitsleistungen (Margining) im Terminhandel mit Energie betroffen sind.

Überblick zu den Maßnahmen (Auszug)

Einen Überblick zu den wichtigsten bisher bekannten Inhalten der einzelnen Programme können Sie sich gerne unter dem folgenden Link verschaffen: 20220510_Maßnahmepaket_BR

Beihilferechtlicher Rahmen und Ausblick

Da es sich bei den vorgenannten Maßnahmen in der Regel um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, müssen vor ihrer Umsetzung zunächst die beihilferechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Damit konstituiert Art. 107 Abs. 1 AEUV ein grundsätzliches Verbot für staatliche Beihilfen. Positive Ausnahmen von diesem Verbot können sich gerade in Krisenzeiten unter anderem aus Art. 107 Abs. 2 lit. b) oder Abs. 3 lit. b.) AEUV ergeben. Auf dieser Grundlage hat die EU-Kommission bereits den beihilferechtlichen Rahmen für die Gewährung der Corona-Hilfen geschaffen und genehmigt. Entsprechend wird derzeit der beihilferechtliche Rahmen für die Hilfsmaßnahmen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten geschaffen.

Um den beihilferechtlichen Anforderungen zu genügen, orientiert sich das Maßnahmenpaket der Bundesregierung eng an den Vorgaben des bereits am 23. März 2022 von der EU-Kommission erlassenen „Befristeten Krisenrahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ (C (2022) 1890 final) (nachfolgend: Befristeter Rahmen).

Aufbauend auf den Vorgaben des Befristeten Rahmens entwirft die Bundesregierung derzeit entsprechende Bundesregelungen, die nach Genehmigung durch die EU-Kommission die beihilferechtliche Grundlage für die Gewährung von Mitteln nach dem Maßnahmepaket bilden.

Für geringfügige Beihilfen bis 400.000 EUR (sog. „Kleinbeihilfen“) hat die Bundesregierung bereits die „Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Befristeten Krisenrahmens (BKR) der Europäischen Kommission für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ („BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022“) erlassen, die am 19. April 2022 von der EU-Kommission genehmigt wurde.

Als beihilferechtliche Grundlage für die Gewährung der vorgenannten Bürgschafts- und Kreditprogramme hat die EU-Kommission am 4. Mai 2022 zudem die Rahmenregelung der Bundesregierung für Garantien und zinsvergünstigte Darlehen genehmigt.

Es kann davon ausgegangen werden, dass zur Umsetzung des Zuschussprogramms ebenfalls sehr zeitnah eine Bundesregelung veröffentlicht und durch die EU-Kommission genehmigt wird, die Abschnitt 2.4 des Befristeten Rahmens entspricht. Sobald dies der Fall ist, kann auch das Zuschussprogramm beihilfenrechtskonform umgesetzt werden.