Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Änderungen der Regelungen zur AGVO betreffend Breitbandausbau

Verfasst von

Kerstin Rohde

Die Verordnung (EU) 2021/2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 651/2014 (AGVO) (ABl. EU 2021 L270/39) enthält erhebliche Neuerungen im Hinblick auf den Breitbandausbau. Bereits in unserem Beitrag vom 9. August 2021 („Evaluierung und Neufassung von EU-beihilfenrechtlichen Regelungen zum Breitbandausbau“ https://www.pwclegal.de/eu-beihilfenrecht/evaluierung-und-neufassung-von-eu-beihilfenrechtlichen-regelungen-zum-breitbandausbau/) gaben wir einen Ausblick auf die damals noch im Entwurf vorliegenden Regelungen.

Neben einer weitaus detaillierteren Fassung des Art. 52 AGVO (Beihilfen für den Ausbau fester Breitbandnetze) wurden im Einklang mit den Ergebnissen zur Evaluierung der Breitbandrichtlinien (siehe ebenfalls unseren Beitrag vom 9. August 2021) Beihilfen für den Ausbau von Mobilfunknetzen (Art. 52a) sowie nachfrageseitige Maßnahmen, hier in Gestalt von Konnektivitätsgutscheinen (Art. 52c), aufgenommen.

Die neuen Freistellungstatbestände

  • Art. 52 – Beihilfen für feste Breitbandnetze: Dieser Freistellungstatbestand erfasst den Ausbau von festen Breitbandnetzen, um Haushalte bzw. sozioökonomische Schwerpunkte in Gebieten an ein leistungsfähiges Internet anzuschließen, in denen kein Netz vorhanden ist, das zuverlässig eine Download-Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbits/s (Abs. 3 lit. a) oder 100 Mbit/s (Abs. 3 lit. b) bieten kann. Für sozioökonomische Schwerpunkte wird auch der Ausbau in Gebieten erfasst, in denen zwar Netze vorhanden sind, die eine Download-Geschwindigkeit von mind. 100 Mbit/s, aber unter 300 Mbit/s erlauben (Abs. 3 lit. c). Nicht erfasst werden Gebiete, in denen ein Netz mit einer zuverlässigen Download-Geschwindigkeit von mind. 300 Mbit/s bzw. in denen mind. zwei Netze mit einer zuverlässigen Download-Geschwindigkeit von 100Mbit/s vorhanden sind.

„Sozioökonomische Schwerpunkte“ erfassen gem. dem neu hinzugekommenen Art. 2 Nr. 139b „Einrichtungen, die aufgrund ihres Auftrags, ihrer Natur oder ihres Standortes direkt oder indirekt einen großen sozioökonomischen Nutzen für Bürger, Unternehmen und Kommunen in ihrem Umfeld oder Einflussbereich erbringen können, […]“. Dies schließt u.a. öffentliche Stellen, öffentlicher oder privater Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse oder DAWI i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV betraut sind, sowie stark digitalisierte Unternehmen ein.

  • Art. 52a – Beihilfen für 4G- und 5G-Mobilfunknetze: Art. 52a erfasst Beihilfen zugunsten des Ausbaus passiver 4G- und 5G-Mobilfunknetze. Beihilfen für 5G-Netze werden jedoch nur für diejenigen Gebiete von der Anmeldepflicht freigestellt, in denen bisher keine Mobilfunknetze verfügbar sind, die über 3G hinausgehende Mobilfunkdienste erlauben.
  • Art. 52c – Beihilfen für Konnektivitätsgutscheine: Art. 52c sieht Beihilfen in Form einer Regelung für sog. Konnektivitätsgutscheine vor, um Telearbeit, allgemeine und berufliche Bildungsleistungen zu erleichtern, sowie um KMU zu unterstützen. Förderfähig sind Gutscheinregelungen für Verbraucher, mit denen ein Wechsel zu Breitbanddiensten mit oder die Anhebung der Download-Geschwindigkeit auf mind. 30 Mbit/s ermöglicht wird. Alle Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste müssen zuverlässig eine Download-Geschwindigkeit von 30 Mbit/s leisten können. Im Falle von Gutscheinreglungen für KMU liegt die Grenze der zuverlässig zur Verfügung zustellenden Mindestgeschwindigkeit bei 100 Mbit/s. Die Gutscheine dürfen nicht für den Anbieterwechsel oder die Anhebung der Download-Geschwindigkeit bei dem bestehenden Anbieter ausgegeben werden, wenn bereits eine Geschwindigkeit von 30 bzw. 100 Mbit/s vorhanden ist. Die Gutscheine können an den Endnutzer oder direkt an den Anbieter gezahlt werden. Im letzteren Fall ist die Beihilfe an den Endnutzer bei der Abrechnung weiter zu geben. Konnektivitätsgutscheine dürfen bis zu 50 % der gesamten Einrichtungskosten und der monatlichen Gebühr für das Abonnement eines Breitbandinternetzugangsdienstes decken.

Die gemeinsamen Voraussetzungen für Breitband- und Mobilfunknetzausbau

  • Nachweis der Erforderlichkeit: Sowohl für den Breitbandausbau als auch für den Ausbau der Mobilfunknetze – mit Ausnahme von 4G – gilt, dass eine Förderung nur für Gebiete möglich ist, in denen a) kein entsprechendes Netz vorhanden ist, und b) wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass innerhalb von drei Jahren nach Veröffentlichung der geförderten Maßnahme oder innerhalb des Zeitraums des geförderten Netzausbaus (mind. 2 Jahre), ein entsprechender Netzausbau nicht geplant ist. Der Nachweis erfolgt über die jeweils im Abs. 4 des jeweiligen Freistellungstatbestandes geregelten Kartierung und öffentlichen Konsultationspflicht.
  • Wesentliche Verbesserung: Das geförderte Vorhaben muss zu einer wesentlichen Verbesserung im Vergleich zu den bereits vorhandenen bzw. den bereits geplanten Netzen führen.
  • Beihilfeempfänger: Beihilfeempfänger können zum einen Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste sein, die im Rahmen eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien wettbewerblichen Auswahlverfahrens unter Wahrung des Grundsatzes der Technologieneutralität ausgesucht wurden. Der Anbieter mit dem jeweils wirtschaftlich günstigsten Angebot ist auszuwählen. Ohne Einhaltung eines solchen Verfahrens kann auch eine Behörde der Beihilfeempfänger sein, soweit sie oder eine interne Einheit das Breitband- bzw. Mobilfunknetz ausbaut und verwaltet. Ihre Tätigkeit ist auf Vorleistungsdienste über das geförderte Netz begrenzt. Soweit die Behörde oder die entsprechende Einheit noch weitere Tätigkeiten als den Netzbetrieb durchführt, ist eine Trennungsrechnung

Zulässige Beihilfehöhen

  • Beihilfen für feste Breitbandnetze: Art. 4 lit. y) sieht keine Beihilfeobergrenzen für Beihilfen z.B. in Gestalt von Zuschüssen für den Breitbandausbau vor. Vielmehr wird die max. zulässige Beihilfehöhe durch das durchzuführende wettbewerbliche Auswahlverfahren bestimmt bzw. anhand der Finanzierungslücke (Differenz zwischen den beihilfefähigen Kosten und dem Betriebsgewinn) ermittelt. Dabei dürfen die Gesamtkosten des Vorhabens € 100 Mio. nicht überschreiten. Bei der Gewährung der Beihilfe in Gestalt von Finanzinstrumenten darf die Beihilfe € 150 Mio. nominal nicht überschreiten.
  • Beihilfen für 4G- und 5G-Mobilfunknetze. 4ya) sieht dies auch für Beihilfen zum Ausbau der Mobilfunknetze vor.
  • Beihilfen für Konnektivitätsgutscheine: Im Fall der Konnektivitätsgutscheine darf die Gesamtmittelausstattung für staatliche Beihilfen für alle Konnektivitätsgutscheinregelungen in einem Mitgliedstaat in einem Zeitraum von 24 Monaten € 50 Mio. (Gesamtbetrag einschließlich nationaler und regionaler bzw. lokaler Gutscheinregelungen) nicht übersteigen.