Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Außenwirtschaftsrechtliche Erwerbskontrolle weiter ausgedehnt

Die außenwirtschaftsrechtliche Erwerbskontrolle hat in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Ausländische Investitionen in deutsche Unternehmen sind dabei grundsätzlich erwünscht, werden in einer zunehmenden Zahl von Industriebereichen aber einer genaueren Prüfung unterzogen. Dies betrifft beispielsweise Beteiligungen an Unternehmen, die militärische Güter herstellen, kritische Infrastruktur betreiben oder in damit eng verbundenen Bereichen tätig sind, sowie Beteiligungen, die auf andere Weise die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Demensprechend werden Transaktionen durch das für die Erwerbskontrolle zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geprüft und sind – in bestimmten Fällen – bis zur Freigabe nichtig.

Die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ist am 1. Mai 2021 in Kraft getreten. Eine Übersicht zu den wesentlichen Änderungen finden Sie hier. Wir nehmen die jüngsten Änderungen zum Anlass für einen Überblick zu den verschiedenen Arten der Erwerbskontrolle und beantworten im nachfolgenden Q&A die wichtigsten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen.

Wo ist die Erwerbskontrolle geregelt?

Ihre Rechtsgrundlage findet die Erwerbskontrolle im Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Dort gibt es sog. Verordnungsermächtigungen, so dass sich die wesentlichen Regelungen (insbesondere die relevanten Erwerbstatbestände) in §§ 55 ff. Außenwirtschaftsverordnung (AWV) finden. Darüber hinaus verweisen die wesentlichen Vorschriften der AWV auch auf das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz (BSIG)) und insbesondere die hierzu erlassene Verordnung, in der die kritischen Infrastrukturen weiter definiert werden (BSI-KritisV). Regelungen über Fristen und Beschränkungen während der Erwerbskontrolle sind in §§ 14a und 15 AWG enthalten.

Welche Arten von Erwerbskontrolle gibt es?

Es lassen sich drei Arten der Erwerbskontrolle unterscheiden:

  • Die sektorspezifische Prüfung in §§ 60 ff. AWV dient der Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland und greift bei besonders sicherheitssensiblen Bereichen wie zum Beispiel dem Erwerb eines Unternehmens, das Kriegswaffen herstellt.
  • Die sektorübergreifende Prüfung bezieht sich zum einen auf Unternehmen, die eines der mittlerweile 27 Regelbeispiele erfüllen, die in § 55a AWV geregelt sind. Dazu gehört beispielsweise der Betrieb einer kritischen Infrastruktur i.S.d. BSI-Gesetzes, unter die z.B. Gas-, Energie-, Telekom- und Wasserversorger, aber auch Cloud-Anbieter, Hersteller von Pharmazeutika sowie Unternehmen im Bereich Emerging Technologies Der Anwendungsbereich meldepflichtiger Geschäfte wird von der Bundesregierung stets überprüft und laufend erweitert; so ist dieser zuletzt im Rahmen der bereits erwähnten 17. Änderungsverordnung von elf auf nunmehr 27 Fallgruppen ausgebaut worden. Diese Prüfung wird im Folgenden als sektorübergreifende Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels bezeichnet.
  • Eine sektorübergreifende Prüfung kann aber auch stattfinden, wenn keines der in § 55a Abs. 1 AWV genannten Regelbeispiele erfüllt ist (siehe § 55 Abs. 1 AWV). Die entsprechenden Transaktionen unterliegen zwar nicht der Meldepflicht gegenüber dem BMWi, können aber vom Ministerium aufgegriffen werden, wenn der konkrete Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Projekte oder Programme von Unionsinteresse voraussichtlich beeinträchtigt. Diese Prüfung wird im Folgenden also sektorübergreifende Prüfung ohne Vorliegen eines Regelbeispiels

Welche Arten von Erwerb werden von der Erwerbskontrolle erfasst?

Erfasst ist der mittelbare oder unmittelbare Erwerb von Beteiligungen an deutschen Unternehmen von je nach Branche 10, 20 bzw. 25 Prozent der Stimmrechtsanteile. Dabei müssen ausländische Investoren auf jeden Fall beachten, dass über diese Schwellenwerte hinaus auch so genannte Aufstockungserwerbe erfasst werden. Das betrifft Situationen, in denen ein ausländischer Investor bereits Anteile an einem Unternehmen hält und sodann weitere Anteile hinzuerwirbt. Hier gelten die weiteren Schwellen von 20, 25, 40, 50 und 75 Prozent. Erfasst wird außerdem der Erwerb von Kontroll- oder Verwaltungsrechten, wenn diese dem Investor eine Rechtsstellung verschaffen, die den o.g. Schwellenwerten entspricht, auch wenn die nominale Beteiligung die Schwellenwerte nicht erreicht. Daneben wird auch der Erwerb von Vermögen oder eines abgrenzbaren Betriebsteils eines deutschen Unternehmens bzw. aller wesentlichen Betriebsmittel eines solchen Betriebsteils erfasst.

Welche Erwerber werden von der Erwerbskontrolle erfasst?

Je nach Art der Erwerbskontrolle werden Erwerbe durch Unionsfremde und in bestimmten Fällen Erwerbe durch Ausländer erfasst:

  • Unionsfremde im Sinne von AWV und AWG sind Erwerber von außerhalb der Europäischen Union und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Zweigniederlassungen und Betriebsstätten eines unionsfremden Erwerbers gelten nicht als unionsansässig. Nach dem Brexit bedeutet das zum Beispiel, dass Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich nunmehr als Unionsfremde anzusehen sind und damit von der gesamten Erwerbskontrolle erfasst werden.
  • Ausländer im Sinne von AWV und AWG sind alle natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Eine Prüfung kann aber ausnahmsweise auch beim Erwerb durch einen Inländer erfolgen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft zumindest auch vorgenommen wurde, um eine Prüfung zu unterlaufen.

Für den Erwerb von Beteiligungen an oder Vermögensgegenständen von deutschen Unternehmen durch deutsche Unternehmen gilt die Erwerbskontrolle nach AWV nur dann, wenn sie eine ausländische Mutter haben. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein deutsches Unternehmen von einem Private-Equity-Fonds kontrolliert wird, der seinen Sitz außerhalb der EU/EFTA hat.

  1. Die sektorspezifische Prüfung

In welchen Fällen ist diese Prüfung zulässig?

Voraussetzung für die sektorspezifische Prüfung, die der Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland dient, ist der Erwerb einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von 10 Prozent oder mehr der Stimmrechtsanteile an einem inländischen Unternehmen bzw. bestimmter Vermögensgegenstände oder Betriebsteile eines inländischen Unternehmens durch einen Ausländer. Beim Aufstockungserwerb wird die sektorspezifische Prüfung bei Erreichen der folgenden Schwellen (unter Umständen erneut) ausgelöst:  20, 25, 40, 50 oder 75 Prozent.

Ausländer sind alle natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Eine Prüfung kann aber ausnahmsweise auch beim Erwerb durch einen Inländer erfolgen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft zumindest auch vorgenommen wurde, um eine Prüfung zu unterlaufen.

Die Befugnis des BMWi, zu prüfen, ob der geplante Erwerb wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, besteht nur bei Unternehmen mit bestimmten Tätigkeiten, wobei die Aufzählung in § 60 Abs. 1 AWV abschließend ist. Hier sei exemplarisch die Herstellung, Entwicklung oder Modifizierung von Waffen, Munition und Rüstungsmaterial i.S.d. Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannt.

Wie erfährt das BMWi vom Erwerb und was ist das weitere Verfahren?

Erwerbe, die der sektorspezifischen Prüfung unterliegen, müssen dem BMWi gemeldet und vom Ministerium freigegeben werden.

In der Meldung sind die Informationen nach Maßgabe der Ziffer III. der Allgemeinverfügung des BMWi vom 27. Mai 2021 zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehören insbesondere spezifische Angaben zur inländischen Zielgesellschaft, dem Erwerb (z.B. der Kaufpreis sowie die Art des Erwerbs), dem unmittelbaren und dem mittelbaren Erwerber einschließlich der Offenlegung sämtlicher unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter sowie schließlich Angaben zum Veräußerer. Zudem sind die Geschäftsfelder des Erwerbers und des inländischen Zielunternehmens in den Grundzügen darzustellen.

Der schuldrechtliche Vertrag bleibt bis zur Freigabe schwebend unwirksam und darf dementsprechend nicht vollzogen werden; zudem bestehen Beschränkungen im Hinblick auf die Ausübung von Stimmrechten bei der Zielgesellschaft sowie den Austausch sicherheitsrelevanter unternehmensbezogener Informationen. Verstöße gegen diese Einschränkungen können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe und mit erheblichen Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

Das BMWi gibt den Erwerb gegenüber dem Meldepflichtigen schriftlich frei, wenn ihm keine Bedenken im Hinblick auf wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Die Freigabe wird entweder ausdrücklich erteilt oder im Wege einer Fiktion, d.h. wenn das BMWi nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Meldung ein Prüfverfahren einleitet.

Zu welchen Ergebnissen kann das Verfahren führen?

In den meisten Fällen führt die Prüfung zu einer Freigabe. Im ungünstigsten Fall kann das Verfahren zu einer Untersagung des Erwerbs führen. Soweit die Transaktion bereits vollzogen worden ist, muss sie dann rückabgewickelt werden. Neben der Untersagung kommt auch eine Genehmigung in Verbindung mit Anordnungen in Betracht, um wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Bei einer Anordnung handelt es sich um einen selbständigen Verwaltungsakt, der ggf. isoliert angefochten werden kann. Die Anordnung stellt dabei das mildere Mittel im Vergleich zur Untersagung dar und trägt damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung.

  1. Die sektorübergreifende Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels

In welchen Fällen ist diese Prüfung zulässig?

Voraussetzung für die sektorübergreifende Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels ist der Erwerb durch einen Unionsfremden einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von mindestens zehn Prozent der Stimmrechts­anteile an einem inländischen Unternehmen in den Fällen des § 55a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AWV und mindestens 20 Prozent der Stimmrechtsanteile an einem solchen Unternehmen in den Fällen des § 55a Abs. 1 Nr. 8 bis Nr. 27 AWV bzw. der Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände eines inländischen Unternehmens, das in den in § 55a Abs. 1 AWV aufgezählten Wirtschafts­bereichen tätig ist. Hier muss also eines der in der Verordnung geregelten Regelbeispiele erfüllt sein.

Beim Aufstockungserwerb wird die sektorübergreifende Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels bei Erreichen der folgenden Schwellenwerte (unter Umständen erneut) ausgelöst: 20, 25, 40, 50 oder 75 Prozent.

Wie oben dargelegt, werden alle Erwerber von außerhalb der Europäischen Union (EU) und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als Unionsfremde im Sinne der Erwerbskontrolle erfasst. Allerdings kann eine Prüfung ausnahmsweise auch bei einem Erwerb durch Unionsansässige erfolgen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft zumindest auch vorgenommen wurde, um eine Prüfung zu unterlaufen.

Darüber hinaus muss das inländische Unternehmen in einem der in § 55a Abs. 1 AWV aufgeführten Wirtschaftsbereiche tätig sein. Dabei sind die kritischen Infrastrukturen einschließlich relevanter Schwellenwerte im BSIG und in der BSI-KritisV näher beschrieben und betreffen insbesondere Produkte bzw. Dienstleistungen aus den folgenden Sektoren: Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr.

Die Liste mit Regelbeispielen in § 55a Abs. 1 AWV wurde seit 2020 allerdings wesentlich über die kritische Infrastruktur erweitert und enthält eine Reihe von weiteren Sektoren. So sind seit der Gesetzesänderung beispielsweise auch Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland versorgungsrelevante Arzneimittel und Impfstoffe, einschließlich Ausgangs- und Wirkstoffen, entwickeln, herstellen, in Verkehr bringen oder Inhaber einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Zulassung sind, in der Auflistung genannt. Zudem erfasst die Liste auch die sog. Emerging Technologies wie beispielsweise Halbleiter, künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Quantentechnologie.

Wie erfährt das BMWi vom Erwerb und was ist das weitere Verfahren?

Die Verordnung sieht auch für die sektorübergreifende Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels – ähnlich wie bei der sektorspezifischen Prüfung – eine Meldepflicht vor. Danach ist dem BMWi der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags über den Erwerb einer relevanten Beteiligung oder von Vermögensgegenständen eines inländischen Unternehmens, das in den in § 55a Abs. 1 AWV aufgezählten Bereichen tätig ist, schriftlich zu melden. Der schuldrechtliche Vertrag ist bis zur Freigabe schwebend unwirksam. Es bestehen sowohl ein Vollzugsverbot als auch die bereits bei der sektorspezifischen Prüfung genannten Einschränkungen bei der Ausübung von Stimmrechten und dem Informationsaustausch. Verstöße können mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe und erheblichen Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

In der Meldung sind nach Maßgabe der Ziffer III der Allgemeinverfügung die vorgegebenen Angaben zum Erwerb, dem Veräußerer, dem Erwerber und dem zu erwerbenden inländische Unternehmen einschließlich Angaben zum Geschäftsfeld und Kontakten zu öffentlichen Stellen anzugeben.

Das BMWi gibt den Erwerb gegenüber dem Meldepflichtigen schriftlich frei, wenn ihm keine Bedenken im Hinblick auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse entgegenstehen, bzw. erlässt nötigenfalls ergänzende Anordnungen.

Im Hinblick auf den zeitlichen Verlauf des Verfahrens gilt das Gleiche wie bei der sektorspezifischen Prüfung: Die Freigabe gilt danach als erteilt, wenn das BMWi nicht innerhalb von zwei Monaten ein Prüfverfahren einleitet. Im Übrigen kann die Freigabe auch ausdrücklich erteilt werden.

Wann ist die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung sinnvoll?

Die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung kann dann sinnvoll sein, wenn fraglich ist, ob das Zielunternehmen in einem der meldepflichtigen Wirtschaftsbereiche tätig ist, oder sonstige Zweifel daran bestehen, ob bei dem Erwerb möglicherweise die öffentliche Sicherheit oder Ordnung betroffen ist. Ob ein solcher Antrag sinnvoll ist, sollte im Einzelfall von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden, wobei sich unter Umständen auch alternativ eine informelle Abstimmung mit den Verantwortlichen im Ministerium anbietet.

Zu welchen Ergebnissen kann das Verfahren führen?

In den meisten Fällen führt die Prüfung zu einer Freigabe. Neben der Untersagung kommen auch hier Anordnungen in Betracht, um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse zu gewährleisten.

  1. Die sektorübergreifende Prüfung ohne Vorliegen eines Regelbeispiels

In welchen Fällen ist diese Prüfung zulässig?

Das BMWi kann aber auch eine solche Transaktion prüfen, die keines der Regelbeispiele der Verordnung hält, gleichwohl aber als sensibel eingestuft wird.

Die sektorübergreifende Prüfung ohne Vorliegen eines Regelbeispiels setzt voraus, dass ein Unionsfremder unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung von 25 Prozent oder mehr Stimmrechtsanteile an einem inländischen Unternehmen bzw. bestimmte Vermögensgegenstände in Deutschland erwirbt. Beim Aufstockungserwerb wird die sektorübergreifende Prüfung ohne Vorliegen eines Regelbeispiels bei Erreichen der folgenden Schwellenwerte (unter Umständen erneut) ausgelöst: 40, 50 oder 75 Prozent.

In diesen Fällen kann das BMWi – wie bei der sektorübergreifenden Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels – prüfen, ob der Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Projekte oder Programme von Unionsinteresse gefährdet.

Wie oben dargelegt, sind Unionsfremde im Sinne von AWV und AWG Erwerber von außerhalb der Europäischen Union (EU) und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Allerdings kann eine Prüfung ausnahmsweise auch bei einem Erwerb durch Unionsansässige erfolgen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft zumindest auch vorgenommen wurde, um eine Prüfung zu unterlaufen.

Auch wenn diese Art der Prüfung gerade auf solche Transaktionen abzielt, die keines der Regelbeispiele in § 55a Abs. 1 AWV erfüllen, können sich aus diesen Beispielen gleichwohl mittelbar Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Arten von Geschäftstätigkeiten die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können. Übt das inländische Unternehmen nämlich Geschäftstätigkeiten aus, die den dort genannten Bereichen naheliegen und daher sensibel sind, kommt eine Prüfung in Betracht. Weitere Anhaltspunkte sind etwa umfassende vertragliche Beziehungen der Zielgesellschaft mit staatlichen Behörden, vor allem in sicherheitsrelevanten Bereichen, oder die Beteiligung von staatlichen Stellen an dem Erwerber.

Wie erfährt das BMWi vom Erwerb und was ist das weitere Verfahren?

Anders als im Rahmen der sektorspezifischen Prüfung oder der sektorübergreifenden Prüfung bei Vorliegen eines Regelbeispiels besteht für Transaktionen, auf die die sektorübergreifende Prüfung ohne Vorliegen eines Regelbeispiels anzuwenden ist, keine Meldepflicht, kein Vollzugsverbot und auch kein Straf- bzw. Bußgeldrisiko bei Vollzug. Allerdings kann das BMWi innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des schuldrechtlichen Erwerbsvertrags Transaktionen von Amts wegen aufgreifen und prüfen. Die schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte sind nicht schwebend unwirksam, sie stehen aber aufgrund gesetzlicher Vorgabe im AWG unter der „auflösenden Bedingung“ eines späteren Verbots.

Die Parteien können beim BMWi eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragen und so Rechtssicherheit erlangen. Entweder gibt das BMWi die Transaktion frei, oder die Freigabe gilt als erteilt, wenn das BMWi nicht innerhalb von zwei Monaten ein Prüfverfahren einleitet oder innerhalb von vier Monaten nach vollständigem Eingang der Unterlagen in der Sache entscheidet. Bei Freigabe (erteilt oder aufgrund gesetzlicher Fiktion) entfällt die auflösende Bedingung und die schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte gelten als von Anfang an wirksam. Verzichten die Parteien darauf, eine  Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen, so kann das BMWi die Transaktion bis zu fünf Jahre nach Vertragsschluss selbständig aufgreifen und prüfen.

Wann ist die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung sinnvoll?

Ob die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung sinnvoll ist, sollte im Einzelfall von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. In einer Vielzahl von Fällen kann der Wirtschaftsbereich, in dem das Zielunternehmen tätig ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Projekte oder Programme von Unionsinteresse unter keinem denkbaren Blickwinkel gefährden. Oft genügt eine informelle Abstimmung mit den Verantwortlichen im Ministerium, um die notwendige Rechtssicherheit zur weiteren Vorgehensweise herzustellen.

Zu welchen Ergebnissen kann das Verfahren führen?

In den meisten Fällen führt die Prüfung zu einer Freigabe. Neben der Untersagung kommen auch hier Anordnungen in Betracht, um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse zu gewährleisten. Das Ministerium gibt die Transaktion dann zwar frei, verknüpft dies aber mit Bedingungen – etwa der Herausnahme einer bestimmten Sparte des Unternehmens aus der Transaktion.